Well Beings - Self-Care bei Klimaangst
Ausstellung: Well Beings als heilsamer Raum für kollektive Resilienz

Einatmen. Loslassen. Berühren. Innehalten. Die Ausstellung Well Beings der Künstlerin Valentina Karga in Bochum nimmt die Klima-Angst ernst – und verwandelt sie auf ganz eigene kreative Weise. In Zeiten wachsender Zukunftssorge, ökologischer Erschöpfung oder dem Gefühl emotionaler Überforderung bietet die raumgreifende Installation der griechischen Künstlerin einen überraschenden und erholsamen Ort für Selbstfürsorge, Erdung und ein Erleben von Verbundenheit.
Kunst kann heilen. Und uns halten.
Viele Menschen weltweit empfinden eine wachsende Unsicherheit – ökologisch, gesellschaftlich und gesundheitlich, denn die Klimakrise trifft uns nicht nur ökonomisch und ökologisch, sondern auch tief emotional. Mittlerweile steht der Begriff ‚Klimaangst‘ für ein Phänomen, das sich in Beschwerden wie Schlafstörungen, Nervosität, Panikattacken oder Depressionen äußern kann – insbesondere bei jungen Menschen. Die emotionale Wucht dieser Zeit verlangt nach neuen Antworten auf Fragen wie: Wie bleibe ich psychisch gesund? Wie kann ich weiterleben? Valentina Karga findet eine ästhetisch wie sozial bemerkenswerte Antwort: Berührung – mit sich, mit anderen, mit der Natur.
Kunst als Mittel der Selbstregulation
Als ich die Ausstellung Well Beings betrat, spürte ich sofort eine Zartheit, die dem Thema alle Dramatik nahm. Denn Valentina Kargas Präsentation verzichtet bewusst auf die üblichen Schreckensbilder ökologischer Katastrophen. Stattdessen lädt sie in einen wohltuenden, warmen Ort ein, der die emotionale Seite der Klimakrise ernst nimmt – ohne sie zu überfrachten.
Karga hat einen begehbaren Erfahrungsraum aus textilen Skulpturen kreiert, die wir nicht nur betrachten, sondern auch berühren und sogar umarmen dürfen. Die weichen, aus recycelten Materialien gefertigten Wesen erinnern an prähistorische Idole – antike Mischwesen aus Mensch und Tier, die den Menschen seit Jahrhunderten als spirituelle Schutzsymbole gedient haben. Durch ihre freundlich zugewandten und teilweise kindlich anmutenden Gestalten möchte sie Trost spenden. Sie laden ein zur Kontemplation, zur Achtsamkeit – und vor allem - zum Kontakt.
Wir können uns zurücklehnen, setzen und mit den textilen Wesen in Beziehung treten. Wir dürfen fühlen, was sonst oft verdrängt wird: Angst, Traurigkeit, Hilflosigkeit. Und entdecken darin vielleicht sogar etwas wie Hoffnung.
Ein Raum für Selbstfürsorge, Resonanz und Gemeinschaft
Self-Care wird heutzutage nur allzu oft auf Konsum reduziert – vom Kuschelkissen bis zur Therapiedecke. Karga transferiert unsere Sehnsucht nach Geborgenheit und Fürsorge zurück in eine poetische, kollektive Praxis, in der achtsamen Selbstwahrnehmung ebenso ihren Platz hat wie der Dialog mit anderen. Ihre Well Beings verweisen augenzwinkernd auf den wachsenden Wellness-Markt und stellen ihm ein Angebot gegenüber, das tiefer geht – auf seelischer, kultureller und zwischenmenschlicher Ebene.
Well Beings erinnert daran, dass Emotionen nicht „wegtherapiert“, sondern gehalten und bezeugt werden – eine Qualität, die wir aus therapeutischen Settings kennen und die hier in künstlerischer Form erfahrbar wird.
Kunst auf Rezept – Kultur als Ressource für Gesundheit
Der gesellschaftliche Kontext der Ausstellung könnte aktueller kaum sein: In Berlin wird derzeit das Modellprojekt „Kunst auf Rezept“ vorbereitet, bei dem Kunst und Kultur als integraler Bestandteil von Gesundheitsversorgung erprobt werden. Ärzt:innen sollen künftig kulturelle Teilhabe verschreiben können – ein Ansatz, der in Ländern wie Großbritannien und Kanada bereits erfolgreich läuft. Ein ähnliches Projekt gab es in den vergangenen Jahren bereits in Bremen.
Studien zeigen, dass Museumsbesuche nachweislich bei Depressionen, Angststörungen und Einsamkeit helfen und langfristig Resilienz fördern können. Die Weltgesundheitsorganisation erkennt die Wirkung von Kunst auf psychische und physische Gesundheit an. Und auch in Deutschland wächst das Bewusstsein: Kultur ist kein Luxus, sondern eine Ressource, die heilsam wirken kann – präventiv wie begleitend.
Well Beings zeigt exemplarisch, wie das aussehen kann: Ein Raum, der nicht bewertet, sondern empfängt. Eine Einladung, die eigene Verletzlichkeit nicht zu verstecken. Ein Angebot, mit sich selbst in Kontakt zu kommen – ohne Rezept, aber mit Wirkung.
Zwischen Therapie, Design und Spiritualität
Valentina Karga, geboren 1986 in Griechenland, bewegt sich in ihrer Arbeit zwischen Kunst, Design, Architektur und gesellschaftlicher Forschung. Ihre interdisziplinäre Praxis zielt auf nichts Geringeres als eine Transformation unserer Beziehung zur Welt. Ihre Well Beings waren bereits in Hamburg und Saarbrücken zu sehen und machen jetzt in Bochum Station – ein Ort, an dem sich nicht nur Kunst, sondern auch Fragen nach Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und Zukunftsverantwortung bündeln.
Kargas Idole erinnern daran, dass Heilung nicht immer aus der Zukunft kommen muss – oftmals liegt sie im Rückgriff auf das Alte, Archaische, das uns mit der Natur, mit dem Körper, mit der Berührung verbindet. Der Besuch dieser Ausstellung wird so selbst zu einem Akt der Selbstfürsorge, der nicht beruhigt, sondern berührt.
Fazit: Kunst, die berührt – und bleibt
Well Beings ist kein Ort der Erklärung, sondern der Erfahrung. Kein Ort der Diagnose, sondern der emotionalen Integration. Für Menschen, die nach Wegen suchen, mit dem Klimawandel emotional umzugehen, bietet die Ausstellung eine Möglichkeit, sich inmitten all der Unsicherheit gehalten zu fühlen – von weichen Formen, stillen Farben und einer Kunst, die uns erinnert, dass wir mit unseren Ängsten nicht allein sind.
Die Ausstellung ist ein wertvoller Beitrag zur aktuellen Debatte um seelische Gesundheit, Selbstfürsorge und soziale Verantwortung. Und ein sanfter, berührender Appell: Sorge für dich. Sorge für die Welt. Und gib der Kunst einen Platz in deinem Leben.
Ausstellung
Well Beings – Valentina Karga
Ein Raum für Selbstfürsorge, Resonanz und Klima-Reflexion
Laufzeit: bis 31. August 2025
Kunstmuseum Bochum
Kortumstraße 147
44787 Bochum
Weitere Informationen: Kunstmuseumbochum.de
Ein Artikel von
Freie Autorin, Text, Lektorat

Hegede 6
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