Das NaturheilMobil in Essen

Unterwegs auf der Straße

6. Mai 2022 von Heike Goebel

Wenn einem die Worte fehlen...dann bleiben die Emotionen. Diese Woche waren unsere Sprechstunden in unserer Essener NoG-Praxis und auf unserem NaturheilMobil sehr sehr bewegend und ich finde so schwer die Worte.

Was wir teilweise erleben, macht uns sprachlos – aber nicht tatenlos. Und so schwer manchmal das Erlebte ist, gibt es immer wieder ein Glücksgefühl dabei: wir sind nicht allein, sondern Teil eines wunderbaren Netzwerks.

Menschen ohne Obdach mobil mit Naturheilkunde versorgen

Mit NaMo erreichen wir immer besser unsere Patienten ohne Obdach und sie fassen immer mehr Vertrauen zu uns. Und so gelingt es inzwischen, dass auch Patienten ohne Obdach in unsere niedergelassene Praxis in Essen kommen. Hier können wir sie einfach noch besser versorgen. Seit 3 Wochen kommt unser Patient Dirk zu uns, den wir am Essener Hauptbahnhof angesprochen und kennengelernt haben. Er ist unglaublich sympathisch und gleichzeitig in einem sehr bedenklich hygienischen Zustand. Als wir am Dienstag erneut seinen Verband gewechselt haben, habe ich zum ersten Mal eine Wunde mit Madenbefall gesehen. Ich habe mich so erschrocken und gleichzeitig hat es mir einen tiefen Stich ins Herz gegeben: einen Menschen zu sehen, der bei lebendigem Leib von Maden angefressen wird, ist einfach fürchterlich. Er lehnt sämtliche medizinischen und sozialen Hilfen ab, aber er kommt in unsere Praxis. Ich war unendlich dankbar, dass mit Michaela eine erfahrene Krankenschwester an meiner Seite war. Sie beruhigte Dirk und mich und versorgte seine Wunde fachmännisch.

Dirk war ungewöhnlich still während der weiteren Behandlung. Ich hatte den Eindruck, das auch er sich darüber sehr erschrocken hatte. Und er ließ alle erforderlichen Behandlungsschritte über sich ergehen. Normalerweise möchte er alles selbst machen und ich reiche ihm dann die entsprechenden Materialien. Dirks Schuhe mussten wir umgehend entsorgen, zu groß war die Gefahr, dass noch Madeneier sich darin befanden. Dank Heiko hatten wir nicht nur eine große Menge an tollen Schuhen, sondern auch nagelneuen Socken erhalten. Und so konnte er sich neue Schuhe aussuchen und verließ strahlend unseren Praxisraum. Ich muss zugeben, dass dieser Anblick der Wunde mir noch lange nachhing und mich sehr sehr nachdenklich gestimmt hat.

Besuch aus der Politik

Am Mittwoch hatten wir mit Michaela Heuser eine tolle und interessierte Begleiterin auf NaMo. Michaela engagiert sich als Politikerin in einem eigenen Ausschuss für Obdachlosigkeit in Essen und hat sich einen ganzen Abend Zeit genommen, um unsere Arbeit, aber vor allem unsere Patienten ohne Obdach kennenzulernen. Und so packte sie an, wo Hilfe gebraucht wurde und unterhielt sich lange mit unseren Patienten. So lernte sie Torsten kennen, der mit 53 Jahren alles verlor – seinen Arbeitsplatz, seine Beziehung, die gemeinsame Wohnung. Nun lebt er in der Notunterkunft und ist schwer krank. Mit Tränen in den Augen berichtete er, wie schwer es ist, aus der Obdachlosigkeit heraus wieder eine Wohnung zu finden.

Auch Mike weinte an Bord von NaMo. Er erzählte uns, wie er auf der Straße landete und gleichzeitig noch einen Job wahrnimmt. Lange halte er diese Belastung aber nicht mehr durch. Nach seiner Behandlung machten wir die Tür von NaMo auf, um Mike zu den Kollegen von FairSorger Essen e.V. zu bringen. Wir sahen Michael, schilderten ihm das Problem und er hatte so schnell einen Lösungsvorschlag (bei der Heilsarmee ist gerade ein Zimmer frei geworden), dass es Mike erst die Sprache verschlug und dann die Tränen rollten. Allerdings vor Freude und Dankbarkeit.

Und genau dieses Gefühl der Dankbarkeit überwiegt auch bei mir. Wenn jeder in einem solchen Netzwerk einen kleinen Beitrag leistet, kann für die von Armut und Not betroffenen eine große Hilfe entstehen.

Anmerkung: Patientennamen sind geändert

Ein Artikel von
Heike Goebel

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