Weihrauch in der Medizin

Weihrauch – altes Arzneimittel neu entdeckt

Weihrauch in der Medizin
© Pixabay

von Martina Seifert, Texterin, Lektorin, Yogalehrerin
(letzte Überarbeitung: 03. Dezember 2019)

In vielen Kirchen duftet es zur Weihnachtszeit nach Weihrauch. Nicht jeder mag den festlichen, sehr speziellen würzig süßen Duft des Harzes. Dabei wissen viele gar nicht genau, was Weihrauch ist und welche heilenden Kräfte ihm zugesprochen werden.

Räuchern für die Götter

Der besondere Duft des Weihrauchharzes, der sich auf glühender Kohle gelegt entfaltet, ist ein eindeutiges Zeichen für alle Kirchenbesucher*innen, dass ein ganz besonderes Fest gefeiert wird. In vielen katholischen Gemeinden breitet sich der untrügliche Duft des Weihrauchharzes vor allem zu Hochfesten wie Weihnachten in den Kirchenräumen aus. Früher war es in jedem katholischen Hochamt sogar vorgeschrieben, Weihrauch bei der eucharistischen Andacht anzuwenden. Heute besteht dieses Gebot nicht mehr. In vielen religiösen und spirituellen Zusammenhängen steht Weihrauch für die Anbetung und Verehrung Gottes sowie für Umkehr und Reinigung.

Weihrauch? Was ist das?

Zunächst bezeichnet Weihrauch schlichtweg den Rauch, der sich entwickelt, wenn das Harz des Weihrauchbaumes verbrannt wird. Weihrauchharz enthält Harzsäuren und ätherische Öle sowie aromatische Verbindungen. Um das Harz zu gewinnen, wird der Stamm des Balsambaumgewächses angeritzt, sodass ein milchlich-gelber Saft ausfließt. Getrocknet setzt sich das Baumharz in kleinen Perlen auf der Rinde ab. Diese werden auch "Tränen" genannt, da der Baum das Harz als Wundverschluss produziert, um sich gegen Fraßfeinde zu wappnen. Nach zwei Wochen wird das Harz entfernt, weil die Qualität des ersten und zweiten Einschnitts als minderwertig gilt. Mit jedem Anschnitt wird das Baumharz heller und klarer. Erst das Harz, das zum Ende der Erntesaison im Herbst, 14 Tage nach dem dritten Anschnitt geerntet wird, hat die beste grünlich-weiße Qualität erreicht.

Von den Weihrauchbäumen gibt es verschiedene Arten, die aber dasselbe Harz, wenn auch in unterschiedlicher Qualität produzieren. Weihrauchbäume wachsen in Äthiopien, Saudi-Arabien, in den Wüsten Somalias und Indien. Am meisten wird Arabischer Weihrauch verwendet, der im Oman auf der Arabischen Halbinsel und in Nordost-Afrika wächst.

Weihrauch in der Krebsforschung

Bereits seit Jahrtausenden gilt Weihrauch als wirksames Arzneimittel - ob im alten Ägypten, im Mittelalter oder in der ayurvedischen Medizin Indiens. Hippokrates und später auch Hildegard von Bingen empfahlen Weihrauch für eine Reihe von Gesundheitsproblemen wie zur Wundheilung oder bei Atemwegserkrankungen. Im 20. Jahrhundert kam Weihrauch in Deutschland nicht mehr zum Einsatz, da es an wissenschaftlichen Studien zur gesundheitlichen Wirksamkeit des Harzes fehlte. Inzwischen liegen aber zahlreiche Studien vor, die dem Weihrauchharz in Form von Extrakten eine entzündungshemmende Wirkung nachweisen.

Heute verstehen Forscher*innen die heilende Wirkung der Boswelliasäuren, eine Gruppe chemischer Verbindungen, die natürlich im Harz der Weihrauchbäume (Boswellia) vorkommen, immer besser. Mehrere Studien haben AKBA (Acetyl-11-Keto-Beta-Boswelliasäure) sogar mit der erfolgreichen Behandlung verschiedener Krebsarten wie Brust-, Dickdarm- und Prostatakrebs in Verbindung gebracht. Eine der Studien, die 2013 ein Jahr lang die AKBA-Verbindung mit Ovarialkarzinom-Zelllinien in Labortests an der Leicester University untersuchte, hat gezeigt, dass AKBA über Eigenschaften verfügt, die das Potenzial haben, Eierstockkrebszellen zu zerstören, insbesondere im Spätstadium. Darüber hinaus stellte das Forscherteam überrascht fest, dass chemotherapieresistente Zelllinien bei Anwendung der AKBA-Verbindung anscheinend empfindlicher wurden, sodass Weihrauch die Überwindung der Arzneimittelresistenz unterstützen kann.

Positive Ergebnisse bei entzündlichen Prozessen

Weihrauch soll zudem bei Asthma bronchiale und Schuppenflechte (Psoriasis) sowie rheumatischer Arthritis, Osteoarthritis oder chronischen Gelenkentzündungen und Multiple Sklerose (MS) eine heilende Wirkung haben. Eine Studie, die 2017 unter Leitung von Dr. Klarissa Hanja Stürner, Oberärztin der Klinik für Neurologie des Uniklinikums Schleswig-Holstein, und Prof. Dr. Christoph Heesen vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf durchgeführt wurde, zeigt, dass Weihrauch wegen der geringen Nebenwirkungen speziell für weniger stark betroffene und erst kurze Zeit an Multiple Sklerose erkrankten Patienten eine Behandlungsmöglichkeit darstellen könnte.

Getestet wurde ein standardisiertes Weihrauchextrakt mit insgesamt 28 Patient*innen, die unter schubartiger Multiple Sklerose leiden. Die Patientinnen nahmen die Kapseln innerhalb von acht Monaten dreimal täglich ein – mit dem überraschenden Ergebnis, dass die entzündliche Krankheitsaktivität der Multiple Sklerose in der Magnetresonanztomographie (MRT) deutlich sank. Die Ergebnisse der Studie können online im Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry nachgelesen werden.

Auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und aktivem Morbus Crohn konnten unter Anwendung von Weihrauchextrakt positive Ergebnisse erzielt werden. Der Internist Dr. Henning Gerhardt, langjähriger Leiter der Colitis-Crohn-Ambulanz am Klinikum Mannheim, hat in Zusammenarbeit mit Gastroenterologen der Uniklinik in Wien 2001 in einer Doppelblindstudie Weihrauchextrakt oder den Entzündungshemmer Mesalazin an mehr als 100 Crohn-Patient*innen getestet (2001 "Therapie desaktiven Morbus Crohn mit dem Boswellia-serrata-Extrakt H15"). Das Ergebnis zeigt, dass eine Therapie mit Boswellia-serrata-Extrakt H15 der Behandlung des aktiven Morbus Crohn mit dem Standardpräparat Mesalazin nicht unterliegt. 2004 folgte eine ebenso erfolgreiche zweite Studie: "Remissionserhaltung bei Morbus Crohn mit Boswellia-serrata-Extrakt H15".

Keine Medikamente mit Weihrauchextrakt

Da die bisher vorliegenden klinischen Studien für eine Zulassung von Weihrauchextrakten als Medikament in Deutschland und der EU nicht ausreichen, sind Arzneimittel mit Weihrauchwirkstoffen bisher nicht in deutschen Apotheken erhältlich, lediglich als homöopathische Mittel. Zudem sind Nebenwirkungen und Wirkungsweisen weitestgehend unbekannt.

Nahrungsergänzungsmittel mit Weihrauchwirkstoff

Von der eigenständigen Einnahme frei verkäuflich erhältlicher Weihrauchpräparate, die übrigens nicht pharmakologisch beworben werden dürfen, wird ausdrücklich abgeraten. Schädliche Wirkungen auf die Gesundheit können nicht ausgeschlossen werden. Möglicherweise werden Entzündungen sogar noch gefördert. Darüber hinaus wurden Verunreinigungen mit Schwermetallen gefunden, insbesondere Anteile von Arsen, Blei und Quecksilber. Menschen mit entsprechenden Erkrankungen sollten deshalb Weihrauchpräparate nur in Absprache mit dem Arzt / der Ärztin einnehmen. Bei Kindern sollten die Produkte grundsätzlich gemieden werden. Weitere nützliche Hinweise zu frei verkäuflichen Weihrauchpräparaten finden Sie auf der Webseite der Verbraucherzentrale.

Homöopathie - Olibanum Sacrum

Das Homöopathikum "Olibanum RA" kann in Tropfen- oder Tablettenform, als Globuli oder Salbe in der Apotheke erworben werden. Allerdings sollte auch hier die Einnahme nur in Absprache mit einer versierten Homöopath*in erfolgen.

Stark bedrohte Baumart

Darüber hinaus lassen sich Boswelliasäuren, die nur im Harz des Weihrauchbaumes vorkommen, nur schwer synthetisch produzieren. Deshalb wären Weihrauchbäume, die bereits heute in ihrem Bestand stark bedroht sind, die einzige Quelle für einen Wirkstoff. Hinzu kommt, dass ein Baum vor der ersten Ernte zunächst acht bis zehn Jahre wachsen muss.

Ein Artikel von Martina Seifert

Freie Autorin, Text, Lektorat

Hegede 6
33617 Bielefeld

www.martinaseifert.de

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