Wenn sich alles dreht -
Mein Weg aus dem Lagerungsschwindel

Es ist Mittwochmorgen. Ich wache auf, drehe mich zur Seite und im selben Moment stürzt die Welt in sich zusammen. Mein Körper kippt nach rechts, mein Kopf schlägt gegen die Wand neben dem Bett. Ich klammere mich an die Matratze, atme flach. Alles um mich dreht sich rasend schnell, als wäre ich mitten in einem Karussell. Ich bin hellwach, aber völlig desorientiert. Mir wird übel. Ich bleibe einfach liegen und hoffe, dass es aufhört.
Nach ein paar Minuten wage ich es, mich vorsichtig aufzusetzen. Wieder dieser Schwindel, wieder dieses rasende Drehen. Ich taste mich ins Bad, mit einer Hand an der Wand. Mein Gleichgewicht ist weg. Ich kann kaum geradeaus gehen. Der Boden fühlt sich an, als würde er unter mir wanken. Mein erster Gedanke: Schlaganfall. Oder ein Tumor.
Mein zweiter: Ich übertreibe. Vielleicht nur Kreislauf. Vielleicht zu schnell aufgestanden. Oder etwas mit dem Ohr. Ein Tinnitus? Doch da piept nichts. Und trotzdem sagt etwas in mir: Das ist anders.
Lagerungsschwindel erkennen und richtig einordnen
In der Hausarztpraxis vermutet man einen Lagerungsschwindel, ist sich aber nicht sicher. Ich bekomme eine Überweisung zur HNO-Ärztin. Dort werde ich auf eine Liege gelegt, es folgt ein Lagerungstest, das sogenannte Dix-Hallpike-Manöver. Als mein Kopf in eine bestimmte Position gebracht wird, geht der Schwindel wieder los. Mir wird sofort schlecht, aber ich bin erleichtert. Eine Reaktion bedeutet, dass es eine Erklärung gibt.
Die Diagnose lautet: benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel. Im Innenohr haben sich kleine Kristalle gelöst, sogenannte Otolithen, die nun das Gleichgewichtsorgan reizen. Ich bekomme das Semont-Manöver empfohlen, eine Lagerungsübung, die die Kristalle zurückbefördern soll. Ich führe es gewissenhaft aus, mehrmals täglich. Aber nichts passiert. Der Schwindel bleibt. Ich bin frustriert, erschöpft und zunehmend verunsichert.
In einer schlaflosen Nacht beginne ich, selbst zu recherchieren. Ich google meine Symptome, lese mich durch Fachseiten und stoße schließlich auf einen entscheidenden Hinweis auf einer Schweizer Webseite: Es kommt nicht nur darauf an, dass es Lagerungsschwindel ist, sondern auch darauf, welcher Bogengang im Innenohr betroffen ist. Je nachdem muss das passende Manöver gewählt werden. Das Semont-Manöver ist für den hinteren Bogengang gedacht. Doch bei mir scheint der horizontale Bogengang betroffen zu sein. Das würde auch erklären, warum mir bei bestimmten Kopfbewegungen zur Seite besonders schwindelig wird.
Was mir wirklich geholfen hat
Ich stoße auf das Gufoni-Manöver, das speziell für den horizontalen Kanal entwickelt wurde. Vorsichtig probiere ich es aus. Und siehe da: Bereits nach der ersten Anwendung ist der Schwindel deutlich schwächer. Ich mache weiter und nach ein paar Tagen kann ich mich wieder aufrichten, ohne Angst vor dem Kippen. Mein Gleichgewicht stabilisiert sich, meine Zuversicht auch.
Hier findest du eine ausführliche Anleitung zum Gufoni-Manöver in der Broschüre der Universitätsklinik Zürich (PDF). Vielleicht hilft sie auch dir.
Was ich aus dieser Erfahrung gelernt habe: Eine genaue Diagnose ist essenziell. Lagerungsschwindel ist nicht gleich Lagerungsschwindel. Nur wenn klar ist, welcher Bogengang betroffen ist, kann das passende Manöver angewendet werden. Ich hätte mir gewünscht, dass mir das jemand früher erklärt. Stattdessen habe ich eine Woche lang das falsche Manöver gemacht. Das hat mich nicht nur Zeit gekostet, sondern auch viel Energie und Nerven.
Heute bin ich wieder im Gleichgewicht. Ich fühle mich wieder gesund und achte mehr auf mich, ruhe öfter aus, spüre schneller, wenn etwas aus dem Takt gerät. Und ich habe großen Respekt vor der Feinabstimmung unseres Körpers. Es braucht oft nur ein winziges Teilchen an der falschen Stelle und schon steht die Welt Kopf.
Falls du selbst gerade betroffen bist: Ich weiß, wie beängstigend dieser Schwindel sein kann. Aber ich weiß auch, dass es einen Weg hinaus gibt. Manchmal führt er über eine gute Diagnose. Manchmal über Eigenrecherche. Und manchmal über das Vertrauen, dass sich auch die wirrsten Zustände wieder ordnen können, mit Geduld, Klarheit und der richtigen Bewegung.
Ein Artikel von
Lillia Seifert

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