Was ist Gesundheit genau?
Betrachtungen aus dem echten Leben
Die World Health Organization, kurz WHO, postulierte 1948 (!!!!) folgende Definition von Gesundheit.
"Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung."
Wenn ich das lese, muss ich erst einmal schlucken. Bestmöglichster Gesundheitszustand ist ein Grundrecht? Tagtäglich erlebe ich es anders. Nicht nur im Bereich der Krankenkassen, sondern auch im alltäglichen Umgang.
Gesundheit...ein schwammiger Begriff
Allerdings geht es mir heute um etwas anderes. Gesundheit ist ein schwammiger Begriff, der für den einen etwas ganz anderes meint als der andere. Ein Beispiel: Ich arbeite kunsttherapeutisch in einer Pflegewohngemeinschaft. Neben mir sitzt eine 95 jährige Dame, die immer noch alleine laufen und essen kann. Keine Selbstverständlichkeit. Das sie manchmal verwirrt ist und ihre Brille sucht (manchmal auch, um mir aus dem Weg zu gehen, damit sie nicht helfen muss ), finde ich normal.
Vor kurzem kam ihre Schwester zu Besuch, die ist inzwischen 91 Jahre alt. Der fallen bereits kurze Strecken schwer, weswegen sie im Rollstuhl gebracht wird. Ihren Weg zur Toilette beobachtete ich mit Sorge, in der Angst, dass sie gleich fällt. Aber: in ihrer Welt ist ihre Schwester mit ihren 95 Jahren einfach krank. Sie könne sich ja eh nichts mehr merken und man müsse ihr alles doppelt und dreifach erzählen, das sei ja soooo anstrengend, tönte die jüngere Schwester über den Tisch. Ich konnte förmlich sehen, wie die ältere innerlich einknickte und traurig wurde. Sie wurde immer ängstlicher, weil sie die entwertenden Emotionen wahrnahm und dadurch noch unsicherer wurde, so dass ich hinterher beruhigend intervenierte. Das sogar mehrmals, da die jüngere dieses Thema gar nicht mehr los ließ und auch beständig wiederholte, wie wenig sich die ältere merken könne. Ein schöner Kreislauf.
Wer oder was bestimmt den Maßstab?
In solchen Momenten frage ich mich: wer sagt denn, was Gesundheit ist? Die 95jährige hatte vor dem Besuch der Schwester noch Tränen gelacht, gegenseitig hatten wir uns auf die Schippe genommen und der Fantasie freien Lauf gelassen. Zur Information: wir hatten Heiratsannoncen aus den 50er Jahren gefunden und uns überlegt, ob besagter Herr wohl immer noch für eine Kontaktaufnahme bereit stünde.
Es gibt auch andere Beispiele, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Gehe ich also konform mit der WHO? Ja und nein. Natürlich ist die Definition der WHO ein hehres Ziel, bei dem es sich lohnt, immer wieder hinzuschauen, inwieweit dieses Ziel erreicht oder eben auch verfehlt wurde.
Für mich persönlich ist es so einfach wie auch schwer zugleich: Gesund ist, wer sich dafür hält. Ohne den Vergleich zu anderen bzw. den „Hinweisen“ der jüngeren Schwester fühlt sich die 95Jährige vielleicht gar nicht krank, sondern ganz wohl in ihrer Haut. Und ist das nicht eine schöne Form von Gesundheit?
Ein Artikel von
Janina Freiburg
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