Vagusnerv und Selbstfürsorge
Die stille Kraft der Selbstregulation

Ein bewusster Atemzug, ein freundliches Lächeln, ein erfrischender Spaziergang im Wald – kleine Alltagsperlen, die von großer Wirkkraft sein können. Diese oder ähnliche Unterbrechungen der täglichen Routine können unseren Vagusnerv stimulieren, der zur emotionalen Stabilisierung, mentalen Beruhigung und Regulierung des vegetativen Nervensystems beitragen kann.
Was ist der Vagusnerv?
Der Vagusnerv, kurz Vagus, rückt zunehmend ins Licht der Aufmerksamkeit – sowohl in der Schul- als auch in der Alternativmedizin. Doch was hat es mit diesem Nerv auf sich? Der Nervus Vagus (lat.: der Umherschweifende) ist der Hauptnerv unseres vegetativen Nervensystems. Als längster Hirnnerv verbindet er unser Gehirn, unsere Gedanken und Emotionen mit vielen lebenswichtigen Organen, wie Herz, Lunge, Magen-Darm-Trakt und Leber, und sorgt für die Weiterleitung körpereigener Signale.
Als ein entscheidender Teil des parasympathischen Nervensystems unterstützt der Vagusnerv Zustände der Ruhe, Regeneration und Verdauung. Deshalb wird er umgangssprachlich auch „Gesundheitsnerv“ oder „Anti-Stress-Nerv“ genannt.
Während der Sympathikus Kampf-oder-Flucht-Reaktionen auslöst, aktiviert der Vagusnerv Reaktionen wie Entspannung, Regeneration und Verdauung. Wie ein innerer Schalter balanciert der Nerv die beiden Pole von Anspannung und Ruhe aus. Und das Beste: Du kannst deinen Vagusnerv selbst stimulieren – und damit möglicherweise eine bessere Selbstregulation fördern.
Warum ist der Vagusnerv so wichtig?
Ein gut funktionierender Vagusnerv sorgt für innere Stabilität. Studien zeigen, dass eine ausgeglichene Vagusaktivität mit einer verbesserten Immunfunktion, gesteigerter Emotionsregulation und größerer Resilienz des autonomen Nervensystems assoziiert ist: (siehe: Pharmazeutische Zeitung: Vagusnerv reguliert das Immunsystem;
HeartMath: Der Vagusnerv und der Entzündungsreflex)
Eine deutlich zu niedrige Vagusaktivität wird hingegen mit Angststörungen, Depressionen, Entzündungen, chronischer Erschöpfung und Verdauungsproblemen in Verbindung gebracht.
So stimulierst du deinen Vagus
Im Folgenden stellen wir dir ein paar leichte Methoden vor, die auf empirischen Beobachtungen, traditionellen Praktiken und vereinzelten Studien beruhen. Ihre Wirkung kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen:
Atmen
Achtsames Atmen ist eine der wirkungsvollsten Möglichkeiten, um den Vagusnerv zu aktivieren. Wenn du das Ausatmen bewusst verlängerst und zum Beispiel 4 Sekunden einatmest und 6 – 8 Sekunden ausatmest, senkt diese Technik deinen Puls und bringt dein Nervensystem ins Gleichgewicht.
Singen, summen oder gurgeln
Da der Vagusnerv entlang des Kehlkopfes verläuft, aktivieren Klänge wie Summen, Chanten oder Singen seine Fasern. Wenn du also täglich eine kleine Stimmübung einlegst, wirkt dies stimmungsaufhellend und beruhigend. Tipp: Höre einfach täglich eins deiner Lieblingslieder und summe oder singe mit. Übrigens, auch Gurgeln stimuliert deinen Vagus.
Kaltes Wasser
Kaltwasserreize sind ebenfalls kraftvolle Stimuli für den Vagusnerv. Schon 30 Sekunden kaltes Wasser am Nacken oder im Gesicht können unser parasympathisches System aktivieren. Achte dabei auf die Reaktion deines Körpers und versuche, die Dauer gegebenenfalls langsam zu steigern.
Berührung
Wie könnte es anders sein - liebevolle Berührungen, bewusstes Streicheln oder auch Selbstberührung (Hand aufs Herz!) senden Signale der Sicherheit und Geborgenheit an unser Nervensystem. Auch Massagen – besonders am Nacken oder Bauch – stimulieren den Vagusnerv.
Meditation & Entspannung
Meditation, stilles Sitzen oder eine angeleitete Tiefenentspannung beruhigen unseren Geist – und stimulieren gleichzeitig den Vagusnerv. Besonders wirksam ist die sogenannte Metta-Meditation, auch Liebende-Güte-Meditation genannt, die das Herz-Kohärenz-System ansprechen und heilsame Gefühle wie Mitgefühl und Freude stärken können.
Natur & Bewegung
Gehst du gern spazieren? Ein Aufenthalt im Grünen – ob Waldspaziergang oder auch Gartenarbeit – rhythmisiert Körper, Geist und Seele. Die Natur kommuniziert mit unseren Sinnen, kann den Spiegel von Stresshormonen wie Cortisol senken und das parasympathische System nachhaltig stärken.
Darmgesundheit
Ein gesunder Darm beeinflusst den Vagusnerv direkt über die sogenannte Darm-Hirn-Achse. Fermentierte Lebensmittel, Ballaststoffe und regelmäßige Mahlzeiten unterstützen das enterische Nervensystem und entspannen.
Vagusnerv und Selbstfürsorge
Die Botschaft des Vagusnervs ist eindeutig: Weg vom reinen „Funktionieren“, hin zu einer achtsamen, ganzheitlichen Selbstfürsorge! In einer Welt der ständigen „Selbstoptimierung“ erinnert uns der Vagusnerv daran, dass Regeneration und innere Ruhe grundlegende Voraussetzungen für Heilung und Wohlbefinden sein können. Nicht Leistung, sondern Pausen, Entspannung und Fürsorge bilden ein solides Fundament für körperliche, mentale und seelische Resilienz.
Fazit: Mehr Balance durch innere Verbindung
Wie wunderbar, stets einen stillen Helfer, den Vagus, an unserer Seite zu haben, der Körper, Geist und Seele miteinander verbindet. Keine komplizierte oder teure Technik ist dazu nötig, sondern liebevolle Zuwendung und regelmäßige Selbstregulation. So kultivierst du Entspannung und integrierst diese in deinen Alltag – alles in allem eine sanfte, nachhaltige Form von Selbstfürsorge.
Wenn du Unterstützung suchst, findest du im Heilnetz geeignete Therapeut:innen, mit denen du u. a. auch den Vagusnerv stimulieren kannst.
Ein Artikel von
Freie Autorin, Text, Lektorat

Hegede 6
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