Leben mit Bruxismus (Zähneknirschen):
ein Erfahrungsbericht
Rechtschaffen durchgeschlafen – oder doch nicht? In den frühen Morgenstunden wachte ich auf, spürte einen dumpfen Druck im Kiefer, ein Ziehen im Nacken und verspürte leise, aber deutliche Kopfschmerzen. Ein guter Tag brach an, zumindest dachte ich das. Ich erkannte: Etwas stimmt nicht. Ich war in den Kreis derjenigen eingetreten, die mit Bruxismus leben – einem Phänomen, das oft unterschätzt wird, aber ganze Körpersysteme beansprucht.
Was passierte und wie ich es bemerkte
Zunächst dachte ich: „Das wird schon wieder.“ Doch nach mehreren Wochen war es klar – meine Zähne fühlten sich anders an: abgeschliffener, rauer; morgens spürte ich die Kaumuskulatur wie gelähmt, als hätte sie in der Nacht Höchstleistungen erbracht. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich den Begriff Bruxismus kaum. Dann las ich: Bruxismus sei eine wiederholte Aktivität der Kaumuskeln durch Zähneknirschen oder Zusammenpressen – im Schlaf wie im Wachzustand.
Ich fand heraus, dass sowohl die nächtliche Variante („Schlafbruxismus“) als auch das tagsüber unbewusste Zähnepressen („Wachbruxismus“) möglich sind.
Warum passiert das?
Ich begann, mich zu fragen: Was steckt dahinter? Für mich war klar – ich war in einer stressigen Phase: beruflich neue Aufgaben, privat viele Gedanken. Die Literatur bestätigt, dass Stress, Schlafstörungen, hoher Koffein- oder Alkoholkonsum Risikofaktoren sein können. Auch ein Fehlbiss oder eine Fehlstellung im Kiefergelenk kann mitwirken. Ich war überrascht: Die Ursachen sind nicht eindimensional sondern ganzheitlich. Mein Kiefer war wie eine stille Bühne, auf der sich mein innerer Bereich – Anspannung, Gedanken-Fluss, Schlafqualität – äußerte.
Welche Folgen zeigte es bei mir?
Die Wirkung war nicht nur auf die Zähne begrenzt. Mir wurde bewusst: morgens – Kopfweh; die Muskulatur wirkte „überarbeitet“; ich hatte Zirpen im Ohr (Tinnitus-ähnlich); mein Kiefer knackte beim Öffnen; mein Zahnarzt sprach von Abrieb der Kauflächen. Tatsächlich heißt es, dass durch Bruxismus der Zahnschmelz stark abgerieben werden kann – und nicht nur das: Kiefergelenke, Kaumuskulatur und umliegende Strukturen leiden. Ich spürte: Mein Körper sendet Signale und ich hatte die Symptome bisher ignoriert.
Mein Weg zur Bewältigung
Ich entschied mich, mich nicht nur als Patientin zu sehen, sondern als aktive Mitgestalterin meines Wohlbefindens. Folgende Schritte begleiteten mich:
- Bewusst werden: Ich fragte mich morgens und tagsüber: Halte ich die Zähne zusammen? Spanne ich den Kiefer unbewusst? Diese Form der Selbst-Beobachtung ist wichtig, sagt auch die Fachliteratur.
- Ursachen erkunden: Ich reduzierte meinen Koffein- und Alkoholkonsum, achtete auf regelmäßigen Schlaf, führte ein kleines Entspannungsritual am Abend ein (z. B. bewusstes Loslassen der Kaumuskulatur).
- Zahnärztliche Begleitung: Mein Zahnarzt empfahl eine Aufbissschiene, die nachts getragen werden konnte. Solche Schienen schützen Zähne und Kiefer vor Weiterbelastung.
- Körper - Ganzheitliche Ansätze: Ich integrierte gezielte Kiefer- und Nackenentspannungsübungen, ging zu Physiotherapie, ließ die Hals-Schultermuskulatur mitarbeitend behandeln. Denn: Der Kauapparat steht im Spannungsfeld mit dem gesamten Kopf-Nacken-Bereich.
- Langsam, aber stetig Veränderung: Ich habe gelernt, auch kleine Erfolge zu feiern – z. B., ein Morgen ohne Kieferdruck, ein Tag mit weniger Zahnkontakt. Diese Schritte wirken kumulativ.
Was ich gelernt habe
Bruxismus zeigte mir, dass Gesundheit kein isoliertes Thema ist. Mein Kiefer war Spiegel meines Lebensrhythmus, meiner Gedanken, meines Körpers. Wenn ich mit mir glaube, „ich müsste einfach nur kürzer knirschen“ – nein. Ich musste tiefer gehen: Hinschauen, zuhören, betreuen.
Ich habe erkannt:
- Es lohnt sich, die Ursache nicht nur das Symptom zu betrachten.
- Wenn wir nur die Zähne schützen, aber Stress/Schlaf/Bewegung vernachlässigen – bleibt das Problem oft bestehen.
- Es braucht Geduld: Was unbewusst begann, braucht bewusste Begleitung.
- Eine liebevolle Haltung sich selbst gegenüber hilft: Heute war mein Kiefer verspannt – morgen gönne ich ihm Extra-Ruhe.
Eine Einladung
Wenn du diesen Text liest und vielleicht ähnliche Symptome spürst – nimm ihn als liebevolle Einladung: Höre in dich hinein. Frag dich: Was übernehme ich? Wo spanne ich mich an? Wo lasse ich los? Und – ganz wichtig: Suche dir Unterstützung – Zahnärztin/Zahnarzt, Physiotherapie, Entspannungsarbeit. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Sanftheit, Bewusstheit, Begleitung.
Bleibe liebevoll mit dir – im Prozess, nicht gegen dich. Und denke daran: Jedes Gewicht, das wir nicht dauerhaft gegen uns selbst tragen, sondern umwandeln in Fürsorge – ist ein wahrhaftiger Erfolg.
Ich wünsche dir einen leichten Kiefer, ruhige Nächte und eine unangespannte Muskulatur, die lächelt statt presst.
Ein Artikel von
Lillia Seifert
33613 Bielefeld
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