Corona-Krise - Mitgefühl in Krisenzeiten

Mitgefühl als große heilende Kraft

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12. März 2020 von Martina Seifert

Angst essen Seele auf. Der mittlerweile zum geflügelten Wort gewordene Titel eines berührenden Films des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder fliegt mir in diesen Tagen immer wieder wie ein aufgescheuchter Vogel durch Herz und Geist. Corona geht um und mit dem Virus die Angst.

Covid-19 – eine Naturgewalt

Ein Virus versetzt die Menschheit in Angst und Schrecken. Begrüßungsrituale werden durcheinandergewirbelt, Supermärkte leergeräumt, ja sogar medizinische Hilfsmittel gestohlen. Wir fühlen uns dem unsichtbaren Virus Cocvid-19 schutzlos ausgeliefert, einer Naturgewalt, der wir nichts entgegenzusetzen haben.

Wir wissen, dass bereits viele Menschen am Corona-Virus leiden und einige sterben. Wir malen uns aus, was alles noch geschehen könnte. Wir versuchen mit allen Mitteln, Situationen zu vermeiden, die uns dem Corona-Virus und den damit einhergehenden Gefahren aussetzen könnten. Wir werden misstrauisch und geraten in Panik.

Mitgefühl entfalten

Bewahren wir Ruhe. Entspannen wir uns. Schauen wir uns die Angst an. Aus buddhistischer Perspektive hat jede Emotion, so auch die Angst, eine Ursache, der wir begegnen können. Aber wir neigen dazu, dem unangenehmen Gefühl der Angst auszuweichen statt ihr auf den Grund zu gehen, sodass wir uns ohnmächtig fühlen, uns verkriechen und zu Misstrauen und Übervorsicht neigen. Doch gerade in Krisenzeiten ist es besonders wichtig, sich aufeinander zu beziehen und Mitgefühl zu entfalten. Denn im Mitgefühl können wir der Angst begegnen. Es ist die Bereitschaft, mit der Angst zu sein.

Wenn wir unser Menschsein offen und ehrlich betrachten, stellen wir fest, dass wir uns eigentlich immer in einer Situation befinden, die so unsicher und ungewiss ist, wie die jetzige angesichts der Bedrohung durch Covid-19. Denn im Grunde können wir jederzeit krank werden oder sterben. Aber alles, was wir denken oder tun, alles, was wir in unserem inneren Universum konstruieren, zielt darauf ab, diese Tatsache zu ignorieren, um uns das Gefühl zu geben, wir würden uns auf sicherem Boden bewegen. All unsere Meinungen, Ideen, alle Vorstellungen, dienen uns letztlich dazu, diese Illusion aufrechtzuerhalten.

Der Tod betrifft uns alle

Das weist auf ein zutiefst existenzielles Phänomen hin: unsere Sterblichkeit. Denn eins ist sicher - irgendwann sterben wir alle. Wir wissen nur nicht, wann. Und diese Tatsache bestimmt komplett unser Leben, unser Sein, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen. Und das ist der springende Punkt. Wir leben im Grunde genommen in dem Bewusstsein, dass unser Tod nicht jetzt ist. In Wahrheit aber wissen wir es nicht. Ganz unabhängig vom Corona-Virus können wir jeden Tag in den Medien verfolgen, wie verletzlich wir sind, wie unglaublich schnell das Leben vorbei sein kann.

Mitgefühl – eine zutiefst menschliche Qualität

Gleichzeitig aber ist unsere Vergänglichkeit genau das, was uns alle vollkommen eint. Sie zeigt uns, dass wir nicht voneinander getrennt sind, dass der Tod, das Unvermeidliche, uns alle betrifft. Mit dem Corona-Virus sind wir dieser Tatsache schutzlos ausgeliefert. Wenn wir aber bereit sind, diese Schutzlosigkeit zuzulassen, kann sich unser tiefes Mitgefühl, das direkt aus dem Herzen kommt, vollkommen entfalten, sodass wir in der Lage sind, zu erkennen, dass der oder die Andere wir selbst sind.

Mitgefühl ist eine große heilende Kraft, die jedem Menschen innewohnt. Wenn wir uns in aller Offenheit den jetzigen Gegebenheiten mit all ihren Herausforderungen stellen und aus der Einsicht handeln, dass wir alle verletzliche und sterbliche Wesen sind, wird unser Mitgefühl zum spontanen Ausdruck unseres wahren menschlichen Wesens, - der Selbstlosigkeit, - und zu einer übereinstimmenden Antwort auf eine Situation, der wir uns sonst nicht gewachsen fühlen.

Ein Artikel von
Martina Seifert