Die Kraft des Chōwa

Japanischer Weg zu Harmonie

© Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
22. Mai 2022 von Martina Seifert

Es gibt kaum einen Lebensbereich, in dem wir nicht nach Ausgewogenheit und Harmonie streben. Dieses Prinzip betrifft aber nicht nur uns Menschen, sondern das gesamte Ökosystem. Zur Stabilisierung eines Systems bedarf es immer einer gewissen Balance, – ob in der Natur oder auch in der Wissenschaft und Kunst.

Chōwa – auf der Suche nach Balance

Das Streben nach Balance ist uns allen gemeinsam, aber jeder Mensch hat seine eigenen Wünsche und Vorstellungen, wie ein ausgewogenes Leben zu führen sei. Die japanische Autorin Akemi Tanaka bietet uns mit ihrem Buch „Die Kraft des Chōwa“ einen lesenswerten Leitfaden. Chōwa bedeutet wörtlich übersetzt „Harmonie“. Allerdings erklärt Tanaka gleich zu Anfang ihres Buches, dass der japanische Begriff Chōwa nicht mit der Bedeutung des deutschen Begriffs „Harmonie“ gleichgesetzt werden könne. Vielmehr stehe dieser für die ständige Suche, das lebenslange Streben nach Balance und Ausgewogenheit in allen Lebensbereichen.

Einzigartigkeit in Verbundenheit

Akemi Tanaka erzählt anhand ihrer eigenen Lebensgeschichte. Einfühlsam, ehrlich und kraftvoll. Aufgewachsen in einer Samurai-Familie in der ländlichen Provinz Musashi in Japan versuchte sie, ihren ganz eigenen Weg zu finden in einer Gesellschaft, die Konformität vor Einzigartigkeit stellt. Wir erfahren, was es bedeuten kann, insbesondere für eine Frau, in Japan Individualität zu leben. Denn Akemi Tanaka hat sich entgegen aller Erwartungen bewusst dafür entschieden, ihren ganz eigenen Lebensstil zu entwickeln und zu leben.

Ein Leben in Balance

Das Buch kann in drei Abschnitte eingeteilt werden: die Suche und das Finden der eigenen Balance, das Leben harmonischer Beziehungen und das Einstehen und Ausbalancieren des Wesentlichen. Wie eine Tasse Tee, die den Geist entspannt, wird uns zunächst zu jedem Kapitel ein weises Zitat serviert, das uns auf die kommenden Inhalte einstimmen möchte. Dabei versteht es die Autorin, scheinbar konventionelle japanische Weisheiten mit aktuell drängenden Themen wie die Zerstörung der Umwelt durch den Menschen zu paaren. Jedes Kapitel endet mit einer Reihe von Stichpunkten und stellt uns Fragen, damit wir uns von unserer eigenen Entwicklung über viele Jahre hinweg einen Eindruck verschaffen können.

Über das Persönliche hinaus

Akemi Tanaka führt uns in das traditionelle japanische Haus ein und analysiert, wie sich Wohnräume auf unsere Lebensweise auswirken. Sie entwickelt Strategien und Methoden für unser zu Hause, aber auch für Arbeit, Beruf und Beziehungen. Dabei nimmt sie immer wieder Bezug auf Szenen ihrer Kindheit, sodass sich Vergangenes mit Gegenwärtigem und praktische Tipps für das persönliche Leben mit der Notwendigkeit verbinden, über das Persönliche hinauszugehen und in größeren Dimensionen zu denken.

Akemi Tanaka ist überzeugt, dass die japanische Methode Chōwa den Zusammenbruch von Gemeinschaften in einer unverbundenen Gesellschaft aufhalten, wenn nicht sogar verhindern kann, ohne die Komplikationen zu übersehen, die sich aus der Komplexität eines sozialen Gewissens ergeben können. Denn auch in einem Land wie Japan, in dem die Chōwa-Philosophie geboren wurde, haben viele Menschen die ursprünglichen Prinzipien des Chōwa aus den Augen verloren und sind autoritären Elementen der Gruppenkultur erlegen.

Ein Appell an die Menschlichkeit

Akema Tanaka appelliert an unsere Menschlichkeit und leitet uns zu einem Umdenken und zu neuem Handeln in Bezug auf die Natur und unsere Um- bzw. Mitwelt an. Denn ohne eine gesunde Welt können wir keine grundlegende Lebensqualität erreichen.
In der japanischen Küche Washoku (die Kunst des Essens) gibt es beispielsweise fünf Geschmacksrichtungen: bitter, sauer, salzig, süß und herzhaft, Eigenschaften, die durch die Farben der Speisen noch hervorgehoben werden: weiß, schwarz, rot, grün und gelb. In diesem Sinne ist Washoku nicht allein für die Ernährung des Menschen gedacht, sondern ein komplexes System, das unserem Planeten Wertschätzung entgegenbringt und Nahrungsmittel nicht nur einen zweckmäßigen Wert zuspricht, sondern an sich für wertvoll erachtet. Takana zeigt auf, wie fragil unser Umgang mit uns selbst und der Natur ist und dass das Vergessen von Chōwa – die Idee, in Harmonie mit unserem Planeten und unseren Mitmenschen zu leben – zu katastrophalen Auswirkungen führen kann.

Fazit

Mit ihrem Buch „Die Kraft des Chōwa“ ist es Akema Tanaka gelungen, Handfestes und Provokantes zugleich zu vermitteln und die Bedeutung des Konzepts von Chōwa für Gleichgewicht und Harmonie in unserem Leben, unseren Beziehungen und unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt zu stellen. Jeder Abschnitt enthält Perlen der Weisheit, die ganz praktisch auf das tägliche Leben angewendet werden können. Als Selbsthilfebuch weist es ein perfektes Format auf, das uns eine ganz andere Seite der japanischen Kultur zeigt, die wie alle Kulturen bemüht ist, Balance zu finden, – und das ist in Ordnung, denn es ist authentisch, menschlich eben.

Das im November 2021 erschienene Buch "Die Kraft des Chōwa. Der japanische Weg zu innerer und äußerer Harmonie" ist für 15,50 € im Buchhandel vor Ort oder auch bei der sozialen Online-Buchhandlung buch7.de erhältlich. Mehr zu der Autorin und ihrer Arbeit finden Sie auf ihrer englischsprachigen Webseite Akemi Tanaka.

Akema Tanaka
Die Kraft des Chōwa
Der japanische Weg zu innerer und äußerer Harmonie
288 Seiten
Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
11/2021

Zur Autorin: Akemi Tanaka

„Akemi Tanaka wuchs in traditionellen Verhältnissen in der Nähe von Tokio auf. Nach dem Scheitern ihrer ersten Ehe entdeckte sie Chōwa für sich, um ihr Leben wieder in Balance zu bringen. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2021 lebte sie mit ihrem zweiten Ehemann in London und vermittelte die japanische Kultur und Lebensweise. Sie war regelmäßiger Gast in Fernseh- und Radioshows und hielt Vorträge an Universitäten.“ (Quelle: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH)

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